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Cannstatter Industriegeschichten: Vom Neckar in die Welt hinaus

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Cannstatter Industriegeschichten: Vom Neckar in die Welt hinaus

Im Stadtmuseum Bad Cannstatt in der Marktstraße 71/1 werden Cannstatter Industriegeschichten erzählt / Die Ausstellung läuft bis 3. Oktober

Cannstatter Industriegeschichten: Vom Neckar in die Welt hinaus

In den Cannstatter Industriegeschichten werden 15 Unternehmen porträtiert. Foto: eha

Das Kleinod liegt ein wenig versteckt in den verwinkelten Gassen der Cannstatter Altstadt. Doch sobald der Suchende das Stadtmuseum in der Marktstraße 71/1, der Klösterles-Scheuer, gefunden hat, erkennt er am restaurierten historischen Gemäuer sofort, dass er hier richtig ist. Derzeit – und noch bis zum 3. Oktober – werden im Haus drinnen „Cannstatter Industriegeschichten“ erzählt. Die Ausstellung, die eine Kooperation des Stadtmuseums und des Vereins Pro Alt-Cannstatt ist, porträtiert 15 Unternehmen, die dazu beigetragen haben, dass Bad Cannstatt von einer Bäder- und Kurstadt zu einer einflussreichen württembergischen Industriestadt wurde.

Neben Schautafeln und Fotos finden sich rund 60 Exponate aus der umfangreichen und breit aufgestellten industriellen Vergangenheit Cannstatts im Erdgeschoss des Stadtmuseums. Einige davon, so erzählt Olaf Schulze, Mitorganisator der Ausstellung und Vorsitzender von Pro Alt-Cannstatt, hätten er und die Vereinsmitglieder im Internet gefunden und indem sie jede Menge Leute angerufen hätten, um nach historischen Stücken zu fragen. Viel Interessantes haben die Mitglieder dabei gesammelt, das nun im Stadtmuseum zu sehen ist, wie die 120 Jahre alte Feuerwehrlampe der Firma Hermann Weissenburger. Das Unternehmen habe als erstes Feuerwehrhelme ohne Naht hergestellt, erzählt Schulze. „Und sie haben außerdem auch Rüstungen für die Theater- oder Opernbühne gemacht.“

Wasserkraft des Neckars war für Fabrikanten ein Standortvorteil

Erste Ansätze einer Industrie in Cannstatt gab es bereits Anfang des 18. Jahrhunderts, als reformierte Glaubensflüchtlinge aus Frankreich die Wirtschaft der Stadt belebten. Für 1712 wird eine „Kattunfabrik“, also eine Baumwollfabrik, eines Waldensers erwähnt. Die Wasserkraft des Neckars mit dem Mühlkanal war für viele der ersten Fabrikanten ein Standortvorteil. Das gilt auch für die Türkisch-Rot-Färberei Zais, die 1804 gegründet wurde. Während der Cannstatter Neckarhafen jedoch mit den Jahren an Bedeutung verlor, wurde die Eisenbahn ab 1845 zu einem entscheidenden Motor der Industrialisierung Cannstatts, die in den 1860er, 1870er Jahren einen ersten Höhepunkt erreichte.

Als ab 1880 praktisch keine Kurgäste mehr nach Bad Cannstatt kamen, brachten die großen Industriebetriebe schon reichlich Steuereinnahmen in den Stadtsäckel. Eine Reihe bedeutender Fabriketablissements, namentlich in den verschiedenen Zweigen der Maschinenindustrie wie Kesselfabrikation, Maschinenbau, Elektrotechnik, Metallguss sowie in der Textilindustrie, waren rasch hintereinander gebaut worden. Ein beträchtlicher Teil nicht bloß der Bevölkerung der Stadt, sondern auch aus den umliegenden Ortschaften „wie auch der benachbarten Residenz“ habe hier Beschäftigung gefunden, heißt es in der „Beschreibung des Oberamts Cannstatt“ von 1895.

Daimler Automobile und erste industriell hergstellte Büstenhalter

Die Industrialisierung veränderte den Charakter der alten Oberamts-, Weingärtner- und Kurstadt am Neckar grundlegend und legte die Basis für eine erfolgreiche Wirtschaft, die bis heute trägt. Die Entwicklung ging auch nach der Vereinigung mit Stuttgart 1905 weiter. Die Ausstellung kann die vielfältige und umfassende Industriegeschichte Cannstatts nur anreißen. Anhand ausgewählter Firmenbiografien, Bildern und Objekten zeigt sie die ungewöhnliche Breite und Vielfalt des Industriestandorts auf. Sie erinnert an Produkte, die von Cannstatt aus in die Welt gegangen sind – über die Automobile von Daimler oder den ersten industriell hergestellten Büstenhalter der Firma Lindauer.

Unter anderem finden sich Porträts von Krauss & Reichert, der Spezialmaschinenfabrik und Apparatebau, der Eisengießerei Streicher, der Staubsaugerfabrik Carl Hirnstein und Co. oder der Firma Graupner, die mit Laubsägearbeiten begann und später zu einer der führenden Modellbaufirmen wurde. Einige Firmen haben sich auf besondere Weise in das Gedächtnis von Cannstatt geprägt, etwa die Gebrüder Decker. Vielen älteren Cannstattern sei der „Deckerbuckel“ noch ein Begriff, erklärt Olaf Schulze. Obwohl es das Unternehmen nur 18 Jahre unter diesem Namen gegeben habe, sagt der Vorsitzende von Pro Alt-Cannstatt. „Es hatte einen eigenen Eisenbahnanschluss und war die erste Firma in Württemberg, die im ganzen Haus elektrisches Licht hatte.“

Info: Die Ausstellung im Stadtmuseum Bad Cannstatt läuft bis zum 3. Oktober, die Öffnungszeiten sind mittwochs von 14 bis 16 Uhr, samstags von 14 bis 17 Uhr und sonntags von 12 bis 18 Uhr. Zudem ist das Museum am Pfingstmontag, 29. Mai, 12 bis 18 Uhr, sowie am Tag der Deutschen Einheit, am Dienstag, 3. Oktober, 12 bis 18 Uhr, geöffnet. Öffentliche Führungen sind an den Sonntagen, 4. Juni, 9. Juli sowie 17. September jeweils um 15 Uhr. Der Eintritt ist frei. Informationen gibt es unter 07 11/56 47 88 (während der Öffnungszeiten), Anfragen für Gruppenführungen unter 07 11/21 62 58 00. Eva Herschmann

Auf ein Wort

Von Achim Barth Vorsitzender des GHV/VDF in Bad Cannstatt

Ende April schrieb die Cannstatter Zeitung, dass das Marienplatzfest 2023 nicht stattfinden wird. Im Jahr 2022 haben die Veranstalter trotz sehr guter Besucherzahlen und perfektem Wetter einen Verlust von 50.000 Euro erlitten. Als Grund nennen die Veranstalter nun den Umstand, dass zahlreiche Besucher des Festes ihre eigenen Getränke und die eigene Verpflegung mitbrachten. Der Begriff dafür nennt sich „Verräterbier“. Ich kann mich selbst zu den Hochzeiten der „Geiz ist Geil“-Welle nicht daran erinnern, dass ein gut besuchtes Fest nicht mehr stattgefunden hat, weil die Besucher ihre Getränke selbst mitgebracht hatten. Jugendliche trafen sich auch schon früher zum „Vorglühen“ aber das fand nicht auf dem Fest statt, wo man den Abend verbringen wollte.

Dieses „Verräterbier“-Problem basiert auch nicht auf Heranwachsenden, die mangels Gelds sich mit billigerem Alkohol aus dem Supermarkt auf den Festplatz bewegen. Hier reden wir von Erwachsenen Menschen, denen offensichtlich überhaupt nicht bewusst ist, was es für Veranstalter bedeutet, wenn ein großer Anteil der Besucher als Selbstverpfleger agiert. Es gehören dennoch immer zwei Parteien dazu, die Besucher mit ihrem Verräterbier und der Veranstalter, der das duldet und keine Maßnahmen dagegen ergreift. Für das Marienplatzfest ist es nun zu spät. Andere Veranstalter haben das sicherlich registriert und werden vermutlich die richtigen Lehren daraus ziehen. Ob sich bei den Besuchern ein Lerneffekt einstellt, bleibt abzuwarten. Im Stuttgarter Westen lege ich dafür meine Hand nicht ins Feuer. Für das typische Cannstatter Festpublikum hingegen schon. Ich glaube da kommt keiner auf die Idee, sein eigenes Viertele zum Musik und Wein mitzubringen.

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