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„Man sollte nicht alles durch die Steuerbrille sehen“

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Finanzen

„Man sollte nicht alles durch die Steuerbrille sehen“

Jürgen R. Herrmann ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Vor 20 Jahren hat er die JRH Wirtschaftstreuhand Steuerberatungsgesellschaft gegründet. Neben der klassischen Steuerberatung berät die Kanzlei Unternehmen auch in strategischen Fragen.

„Man sollte nicht alles durch die Steuerbrille sehen“

Jürgen R. Herrmann (Mitte) liegt die Aus- und Fortbildung seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr am Herzen. Foto: Roberto Bulgrin/bulgrin

Jürgen R. Herrmann hat sich vor zwei Jahrzehnten als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer selbstständig gemacht. Viele seiner Mandanten betreut er seit Anfang an.Steuerberatung hört sich erst mal staubtrocken an. Wie sind Sie dazu gekommen?Wenn man wenig Berührung mit dem Steuerrecht hat, erscheint die Materie oft trocken. Genauso verhält es sich, wenn Sie die Betriebsanleitung eines Porsche lesen. Sind sie damit auf der Rennstrecke, sieht es anders aus. Letztlich kommt es in jedem Beruf auf die Einstellung an, egal ob Bäcker, Metzger oder Steuerberater. Vor der Selbstständigkeit habe ich BWL studiert und das Steuerberaterexamen, später das Wirtschaftsprüferexamen abgelegt.

Einstein hat gesagt: Um eine Einkommensteuererklärung abgeben zu können, muss man Philosoph sein. Für einen Mathematiker ist das zu schwierig.

Das könnte hinkommen. Denn das Steuerrecht ist nicht immer logisch. Spätestens wenn man sich mit BFH Urteilen (BFH = Bundesfinanzhof) befasst, rückt man in die Nähe eines Philosophen.

Viele Leute nehmen sich deshalb einen Steuerberater. Natürlich auch, weil sie hoffen, mit seiner Hilfe Geld zu sparen. Geht die Rechnung für den Normalverdiener auf?

Zunächst muss man sehen: Je mehr Arbeit man auf den Steuerberater überträgt, desto mehr Freizeit gewinnt man. So manch einer zieht es vor, Ostern am Gardasee zu verbringen, anstatt sich mehrere Wochenenden mit seiner Steuererklärung zu beschäftigen. Aber spätestens wenn man sich eine vermietete Wohnung zulegt, lohnt sich immer der Weg zum Steuerberater. Allerdings sollte man vor dem Notartermin kommen und nicht erst danach.

Sie haben sich kurz nach 9/11 selbstständig gemacht. Eine eher schwierige Zeit, oder?

Ich habe mich ursprünglich mit Unternehmensplanung selbstständig gemacht. Als Wirtschaftsprüfer lag das nahe. Basel ll war damals der Impuls für die Gründung. Einer meiner Mandanten wollte, dass ich auch die Steuerberatung übernehme. Kurz darauf ist mir die Übernahme einer Kanzlei angeboten worden. So kam eins zum anderen.

Was ist heute Ihr Schwerpunkt?

Wir beraten heute sowohl Privatpersonen als auch Familienunternehmen. In letzter Zeit sind wir ziemlich stark ins Thema Unternehmensnachfolge von Familienunternehmen eingestiegen, da wir bereits die zweite Generation beraten. Dazu gehören auch die Themen Erben und Schenken. Ein weiterer Schwerpunkt bildet die Immobilienbesteuerung. Ich habe auch ein eigenes Family-Company-Modell entwickelt.

Worum geht es da?

Vermögen zu erhalten und über Generationen abzusichern. Rechtzeitig die Weichen zu stellen und gleichzeitig das Zepter weiter in der Hand zu halten. Ich spreche immer von einem Samenkorn der Eltern. Die Sonnenblume wächst dann schon im Garten der Kinder und muss später nicht noch extra übertragen werden.

Wie wertvoll ist Ihnen die Aus- und Fortbildung Ihrer Mitarbeiter?

Die ist entscheidend. Ich habe von Anfang an in die Ausbildung unserer Mitarbeiter investiert. Das hat sich sehr bewährt. Die meisten sind seit vielen Jahren bei uns und haben sich super bis zum Steuerfachwirt beziehungsweise Steuerberater entwickelt oder ein duales Studium an die Ausbildung angehängt. Insofern sind wir auch Partner der Dualen Hochschule Stuttgart.

Wir sind ein tolles Team, auf das ich mich zu hundert Prozent verlassen kann. Das ist ein ganz wichtiger Baustein für unseren Erfolg. Zusätzlich haben wir externe Berater, auf die wir zurückgreifen können.

So eine Unternehmensnachfolge ist ja eine ziemlich komplexe Sache. Da spielen sicher menschliche Themen eine große Rolle.

Hier geht es in erster Linie um menschliche Themen. Man sollte das alles nicht allein durch die Steuerbrille sehen. Man sollte sich klar machen, ob man verkaufen will oder ob Nachfolger aus der Familie in Frage kommen. Dies muss gut überlegt sein. Die Nachfolger stehen heute vor extremen Herausforderungen, unter anderem auch wegen der globalen Entwicklungen.

Wie finde ich denn raus, ob ein Steuerberater etwas taugt oder nicht?

Es ist ein bisschen so wie beim Arzt: Das hat einfach viel mit Vertrauen und Bauchgefühl zu tun. Je komplexer die Fälle sind, und wenn man über Jahrzehnte eine Firma betreut, muss die Wellenlänge stimmen.Der teuerste Steuerberater ist auf jeden Fall derjenige, welcher nichts taugt.

Blick in die Zukunft: Wie wird sich Ihre Arbeit verändern?

Die Digitalisierung bringt große Veränderung in der gesamten Steuerberaterbranche. Hier ist unsere Steuerberatungsgesellschaft aber up to date.

Betriebswirtschaftliche Fragestellungen werden sicherlich noch stärker in den Vordergrund treten. Insofern schließt sich der Kreis von der Gründung bis heute. Hohe Staatsausgaben, Inflationen und Vermögensübertragungen werden zusätzlich die Nachfrage nach professioneller Steuerberatung erhöhen. Deshalb bin ich davon überzeugt: Ein gutes Steuerberatungsteam war noch nie so wertvoll wie heute.

Das Gespräch führte Doris Brändle.

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